Hawa Sliding Solutions: Mit KI von Microsoft vom Kundenservice zur Experience
Branchen: Fertigungsindustrie
Prozesse: Service & Support, Analysen
Bei Hawa Sliding Solutions erkennt eine KI-gestützte Power App Ersatzteile, die von Kunden angefragt werden, automatisch anhand der Fotos, die diese per E-Mail übermitteln. Das beschleunigt den Prozess um ein Vielfaches, sodass der Customer Service die Kunden zeitnah informieren kann, ob die gewünschten Artikel am Lager sind. Dem Service bleibt so mehr Zeit für das Wesentliche, nämlich ein positives Kundenerlebnis zu fördern. Gleichzeitig wappnet sich Hawa mit der KI-gesteuerten Bilderkennung gegen Wissensverlust aufgrund von Abgängen beziehungsweise Pensionierungen, da sie das Wissen über Ersatzteile aus den Köpfen in eine Datenbank bringt. Somit verbleibt es im Unternehmen, selbst wenn ein Mitarbeitender ausscheidet.
Hauptsitz: Mettmenstetten
Produktionsstätten: Mettmenstetten & Sirnach
Produkte: Schiebebeschläge für Raumgestaltung, Möbel und Bau
Mitarbeitende: über 240 weltweit
Website: www.hawa.com
In zahlreichen Gebäuden weltweit bewegen hochwertige und langlebige Beschläge aus dem Haus der Hawa Sliding Solutions AG (Hawa) Schiebetüren, Schiebewände und Schiebeläden fast geräuschlos, ob an der Fassade, in Räumen oder an Möbeln. Das international tätige Unternehmen aus Mettmenstetten in der Schweiz zählt zu den Markt- und Technologieführern bei Beschlägen für Schiebelösungen. Es beschäftigt rund 240 Mitarbeitende in seinen zwei Schweizer Fertigungsstandorten und drei Niederlassungen in den USA, in Singapur und in Dubai.
Prozesse mit KI automatisieren und digitalisieren
Die dynamische Geschäftswelt heutiger Tage stellt das Unternehmen vor diverse Herausforderungen. Der zukünftige wirtschaftliche Erfolg und das weitere Wachstum hängen maßgeblich von einer vorausschauenden Steuerung des Geschäfts und schnellen und fundierten Entscheidungen ab. Hinzu kommt, dass innerhalb der nächsten Jahre viele Mitarbeitende in Rente gehen und wichtiges internes Know-how verlorengeht. Im technischen Service zum Beispiel ist es unter anderem das Wissen, ob bestimmte, allen voran ältere, Ersatzteile noch am Lager sind.
Den Herausforderungen begegnet Hawa mit einer langfristig angelegten Digitalisierungsstrategie. Das Ziel ist, Prozesse über Fachbereiche hinweg zu automatisieren, zu optimieren und systemübergreifend interoperabel zu machen. Im Vertrieb und im Customer Service ist mit der Einführung der Cloud-Plattform Dynamics 365 Customer-Engagement (CE) der Grundstein dafür gelegt. Ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).
20- bis 30-fache schnellere Teileerkennung mit KI
Den Anfang macht eine Part-Finder-App auf Basis von Microsoft Power Platform und dem Azure-KI-Dienst Custom Vision für maschinelles Sehen. Mit dieser App können Mitarbeitende im technischen Service den Kunden sehr zeitnah Auskunft geben, ob von ihnen angefragte Ersatzteile vorhanden und am Lager oder nicht mehr im Sortiment sind. Bei diesen Teilen, die oft nur wenige Schweizer Franken kosten, kann es sich um ein Scharnier, eine Laufschiene oder ein Beschlagsystem handeln. Die aufwendige manuelle Recherche von Ersatzteilen in Produktkatalogen fällt somit weg. Sie dauerte nicht selten 20 Minuten oder länger. Da Produkte von Hawa sehr langlebig sind, kommt es durchaus vor, dass vor allem ältere Artikel nicht mehr im Sortiment sind und es dafür keine Artikelnummer gibt.
Die Part-Finder-App identifiziert angefragte Ersatzteile mithilfe der KI-gestützten automatischen Bilderkennung heute in weniger als einer Minute. Die Bilderkennungsrate liegt im Durchschnitt bei deutlich mehr als 90 Prozent und wird sich weiter verbessern, da die KI ständig dazulernt. „Insgesamt beschleunigt die App den Prozess enorm, etwa um das 20- bis 30-fache. Das entlastet Mitarbeitende im Service erheblich und ihnen bleibt so deutlich mehr Zeit, sich um die Belange der Kunden zu kümmern sowie andere wichtige Aufgaben zu erledigen. Dieser proaktive Service wie auch die hohe Antwortqualität dank KI-Unterstützung sorgen für ein positives Kundenerlebnis und ermöglichen ein digitales Customer-Experience-Management“, sagt André Saiu, Head of Global Customer Experience bei Hawa Sliding Solutions.
Wissen aus den Köpfen in die Cloud bringen
Das Potenzial, das die KI-gesteuerte Bildererkennung bietet, ist damit aber nicht ausgeschöpft. Dadurch ist es möglich, das bislang in Köpfen einzelner Mitarbeitender vorhandene Wissen über Ersatzteile zentral in der Cloud-Datenplattform Microsoft Dataverse verfügbar zu machen. Es verbleibt nun im Unternehmen, selbst wenn ein Beschäftigter ausscheidet.

„Das ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der auch vor unseren Werkstoren nicht haltmacht, ein Riesenvorteil und von hoher Bedeutung. Mit der Part-Finder-App können Mitarbeitende im Service, die kein Expertenwissen haben, Ersatzteile einfach und schnell identifizieren und Kundenanfragen zeitnah in hoher Qualität beantworten“,
verdeutlicht André Saiu, Head of Global Customer Experience at Hawa Sliding Solutions AG
Bei alldem ist die Akzeptanz der App bei den Mitarbeitenden sehr hoch. Zum einen rannte man mit der Idee, Ersatzteile mithilfe von KI digital und automatisiert zu identifizieren, offene Türen ein. Diese Möglichkeit war bislang nicht in Betracht gezogen worden. Zum anderen arbeiten die Mitarbeitenden sehr gern mit der KI-gestützten Power App, da sie über zeitgemäße und sehr einfach zu bedienende Oberflächen verfügt und sich der Umgang damit rasch erlernen lässt.
Fotos einfach hochladen und mit KI analysieren
In der Praxis funktioniert das KI-Szenario zur Bilderkennung wie folgt: Fragt ein Kunde (Schreiner, Verarbeiter, Großhändler oder Architekt) per Mail an, ob ein gewisses Ersatzteil verfügbar ist und schickt er ein Foto mit, lädt der zuständige Mitarbeitende das Bild per Drag and Drop in die Power App. Zukünftig soll es Kunden möglich sein, die Bilder auch über das Kontaktformular auf der Webseite von Hawa hochzuladen, welche der Service dann in die App übernimmt.
Das Foto wird in der Objektspeicherlösung Azure Blob Storage gespeichert und das abgebildete Ersatzteil mithilfe von Azure Custom Vision identifiziert, sodass das Ergebnis der Abfrage in kürzester Zeit vorliegt. Es wird dem Mitarbeitenden zusammen mit einem Produktvorschlag in der App angezeigt. Das Training des KI-Modells zur Verbesserung der Erkennungsrate erfolgt mit Bildern, deren Korrektheit von Experten zuvor verifiziert wurde.
Proof-of-Concept in Eigenregie erstellt
Grundlage für die Entwicklung der Part-Finder-App bildete ein Proof-of-Concept (PoC), den ein internes Projektteam aus Service- und IT-Mitarbeitenden durchführte. Obwohl das Training des KI-Modells in dieser Machbarkeitsstudie nur mit wenigen Bildern und somit einer geringen Anzahl von Datensätzen erfolgte, lag die erzielte Genauigkeit der Bildererkennung bereits bei rund 90 Prozent.
Der PoC bildete den Ausgangspunkt für die Erstellung und Einführung der Power App. Hawa suchte dafür einen Kooperationspartner, der die nötige Erfahrung und Experten-Know-how in Bezug auf Microsoft Azure AI und die Microsoft Power Platform mitbringt. Den fand man in der ORBIS Schweiz AG, die bereits Dynamics 365 Sales und Dynamics 365 Service eingeführt hat und mit den Prozessen des Unternehmens bestens vertraut ist.
Schnelle Einführung in zehn Tagen
Die Entwicklung der App ging in nur zehn Tagen über die Bühne, deutlich schneller als geplant. Zu verdanken war dies der engen Kooperation von Hawa und ORBIS im Sinne der Co-Creation-Methode mit fixen Zeiteinheiten (Timeboxing) und der Tatsache, dass man nicht auf der grünen Wiese beginnen musste. ORBIS erstellte im Zuge der Einführung auch den Trainings-Loop für das KI-Modell und sorgte für den Know-how-Transfer zum internen Hawa-Team, damit es die App eigenständig trainieren und weiterentwickeln kann. Alles in allem hat der KI-Einsatz den Prozess zur Identifizierung von Ersatzteilen bereits deutlich beschleunigt und verbessert.
Doch das ist erst der Anfang. Für die Zukunft ist zum Beispiel geplant, die von Kunden übermittelten Bilder per KI mit vorhandenen virtuellen Bildern abzugleichen. Die KI-gestützte Teileerkennung ist ein zentraler Baustein auf dem Weg zu einem automatisierten Prozess – von der Ersatzteilanfrage per E-Mail bis zur Verfügbarkeitsprüfung im ERP-System.