Mit Advanced Shipping & Receiving erweitert SAP das Lösungsportfolio unter SAP S/4HANA im Supply Chain Management um einen End-to-End-Prozess mit Fokus auf die Integration von Lager und Transport. Die Transport- und Lagerabwicklung sind eng verzahnte Kernbereiche der Logistik, bei denen Organisation, Planung und Ausführung der Aktivitäten einer starken gegenseitigen Abhängigkeit unterliegen. Dabei werden in der Regel die Aufgaben in diesen Logistikbereichen von organisatorisch eigenständigen Abteilungen durchgeführt, was eine bereichsübergreifende Transparenz und Koordination erforderlich macht.
Integrierte, digitalisierte und simplifizierte Logistikprozesse reduzieren den Overhead im Gesamtprozess hinsichtlich Koordination, Transparenz sowie manueller Aktivitäten. Die daraus resultierenden Synergien, ermöglichen die Optimierung von Planung und Ausführung der Aktivitäten sowie der hierzu erforderlichen Kapazitäten und Ressourcen im jeweiligen Logistikbereich und schaffen die Grundlage zur Steigerung von Effizienz sowie Kostenreduzierung.
SAP unterstützt unter S/4HANA zwei Lösungen zur integrierten Transport- und Lagerabwicklung:
- Die Integration basierend auf SAP EWM Transporteinheiten (TU-based Warehouse Solution)
- Den erweiterten Warenannahme- und Versandprozess: Advanced Shipping & Receiving (ASR).
SAP EWM-basierte Transportabwicklung mit der TU-based Warehouse Solution
Der bestehende Ansatz „TU-based-Lösung“, also die Integration basierend auf SAP EWM-Transporteinheiten (TU = Transportation Unit), steht seit einigen Jahren unter SAP S/4HANA sowohl in den Deployment-Optionen „embedded“ und „Side-by-Side“ zur Verfügung. Dieser Prozess wird im Hinblick auf die Prozessmodellierung in der transportgesteuerten Variante „transport driven“, bei der erst die Transportplanung und dann die Lagerabwicklung erfolgt, unterstützt.

Die Lösung ist zur Integration mit SAP EWM verwalteten Lagern nutzbar und umfasst Inbound-, Outbound- und Transitlagerszenarien sowie die Lagerabrechnung. Der TU-basierte Integrationsansatz basiert auf zwei Datenobjekten, dem Frachtauftrag (Freight Unit) in SAP Transportation Management (TM) sowie der Transporteinheit (Transport Unit) in SAP EWM. Diese wird basierend auf dem Frachtauftrag erzeugt. Die dargestellte Grafik veranschaulicht den Zusammenhang zwischen diesen Objekten und die Prozessabläufe in den verschiedenen Szenarien.
Die notwendige Synchronisation der Objekte erfolgt über LDAP-Requests und LDAP-Benachrichtigungen (Notifications). Dabei verwendet jedes System eigene, nicht harmonisierte Frachtpapiere sowie unterschiedliche Benutzeroberflächen.
Für die Nutzung der Lösung ist eine Advanced-Lizenzierung erforderlich.
Weitere Informationen zu den unterstützten Szenarien und bestehenden Einschränkungen werden im SAP-Hinweis 3018355 erläutert.
Advanced Shipping & Receiving als neuer Standardprozess zur integrierten, digitalisierten & simplifizierten Integration von Lager- und Transportabwicklung
Mit dem Prozess Advanced Shipping & Receiving (ASR) stellt SAP nun einen neuen, integrierten End-to-End-Prozess zum Versand, Empfang und Transport von Produkten zur Verfügung, welcher mit den Lagerverwaltungslösungen SAP Extended Warehouse Management (EWM), SAP Inventory Management (IM) und SAP Stock Room Management eingesetzt werden kann.
Der primäre Unterschied zur TU-basierten Lösung liegt im simplifizierten Integrationsansatz. Dieser basiert auf einem Datenobjekt, dem SAP TM Frachtauftrag, d. h. sowohl die Lageraktivitäten (aus SAP EWM oder SAP Stock Room Management) als auch die Transportaktivitäten (aus SAP TM) erfolgen auf dem Frachtauftrag. Somit entfallen Datenreplikationen sowie mögliche Redundanzen.
Der Prozess unterstützt die integrierte Abwicklung zwischen Transport und Lagerabwicklung im Rahmen des Wareneingangs- und Warenausgangsprozesses. Dabei werden gemischte und Multi-Warehouse-Szenarien innerhalb eines Frachtauftrags ermöglicht. Die Prozessschritte umfassen die Koordination von der Ankunft der LKW am Tor bis zum endgültigen Wareneingang im Lager. Ein wesentlicher Vorteil des neuen Prozesses besteht darin, dass durch die nahtlose Integration und die flexible Abbildung gemischter sowie Multi-Warehouse-Szenarien eine höhere Transparenz, Effizienz und Planbarkeit entlang der gesamten Supply Chain ermöglicht wird.
Die Kommunikation basiert auf der Anwendung des EDIFACT-Standards sowie dedizierter Apps und RF-Transaktionen (Radio Frequency), welche die Versand- und Empfangsprozesse vereinfachen. Die Nutzung weiterer Applikationen wie beispielsweise GTS (Global Trade System) wird ebenfalls unterstützt.
Eine Advanced-Lizenzierung ist bei Deployment Option „embedded“ nicht zwingend erforderlich.
Deployment-Optionen für Advanced Shipping & Receiving (ASR) in SAP S/4HANA
Der ASR-Prozess steht in SAP S/4HANA in zwei Betriebsvarianten zur Verfügung – abhängig davon, wie SAP Extended Warehouse Management (EWM) im Systemumfeld eingesetzt wird. Beide Varianten unterstützen die durchgängige Integration von Lager- und Transportprozessen auf Basis des SAP TM-Frachtauftrags.

Bei der embedded Deployment-Option laufen SAP EWM und SAP TM gemeinsam auf dem gleichen S/4HANA-System. Datenobjekte (z. B. Frachtauftrag oder Handling Units) werden ohne Replikation gemeinsam verwendet. Die obenstehende Grafik zeigt die Systemarchitektur dieser Deployment-Variante und veranschaulicht, wie beide Module nahtlos über gemeinsame Datenobjekte interagieren.

Bei der dezentralen (standalone) Deployment-Option werden SAP EWM und SAP TM mit dem zentralen SAP-Backend verbunden – auch hier ist kein separates Business-Objekt oder Datenobjekt in SAP EWM erforderlich. Aktuell steht bei dieser Option nur das Outbound-Szenario zur Verfügung. Die zugehörige obige Grafik zeigt die Systemlandschaft dieser Deployment-Variante und stellt den Datenfluss sowie die Einschränkung auf das Outbound-Szenario dar.
Neue Objekte im ASR-Prozess: Sendung (Consignment) & (Ent-)Ladestelle
Um Transport- und Lagerprozesse im ASR-Prozess effizient zu bündeln, zu steuern und durchgängig zu koordinieren, kommen zwei neue zentrale Objekte zum Einsatz: die Sendung (Consignment) und die (Ent-)Ladestelle. Im Vergleich zur klassischen TU-basierten Lagerlösung sind die beiden Objekte im ASR-Prozess neue und erweiterte Konzepte, die gezielt zur besseren Integration von SAP TM und SAP EWM eingeführt wurden. Sie bieten deutlich mehr Flexibilität, Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten als die klassische TU-basierte Lösung.
Die Sendung (Consignment) im ASR-Prozess
Für die Gruppierung von Transportbedarfen nach bestimmten Kriterien, wie z. B. gleiche Quell- und Ziellokation, gleiches Lieferdatum und gleiche Geschäftspartner, steht die Sendung als Geschäftsbeleg zur Verfügung. Die Einführung der Sendung im ASR-Prozess schafft erstmals eine eigenständige Ebene zur Gruppierung von Transportbedarfen, unabhängig vom konkreten Transportmittel. Diese Ebene der Sendung war bisher im SAP TM nicht verfügbar, da eine Konsolidierung von Transportbedarfen nur auf der Ebene des Transportauftrags, der den LKW repräsentiert, möglich war.
Die Sendung dient in erster Linie als Kommunikationsdokument zwischen den beteiligten Partnern (Versender, Empfänger, Frachtführer), da sie alle relevanten Informationen über die Ladung und die Durchführung enthält.
Im ASR-Prozess ist zudem die Advanced Shipping Notification (ASN) ein zentrales Element zur Vorabinformation über eintreffende Waren. Sie spielt eine Schlüsselrolle für die effiziente Planung und Durchführung von Wareneingängen und kann z. B. auf Basis der Sendung an den Kunden versendet werden. Durch die Einführung des Konzepts der Sendung (Consignment) wird jetzt eine konsolidierte Versendung der ASN ermöglicht.
Darüber hinaus kann die Sendung (Consignment) auch für die Unterbeauftragung des Spediteurs, als Basis für die Kostenkalkulation oder für die Abrechnung mit den Spediteuren verwendet werden. Durch die Zuordnung der Sendung zu einem Straßenfrachtauftrag wird festgelegt, auf welchem Frachtauftrag bzw. LKW die in der Sendung enthaltenen Produkte transportiert werden.
Ausschreibungen auf Basis der Sendung werden hierbei nicht unterstützt. Im ASR-Prozess wird somit eine klare Trennung zwischen der Sendungssicht (Consignment Order) und der Ladungssicht (Freight Order) unterstützt. Die Nutzung der Sendung erfordert eine advanced Lizenzierung.

Die obenstehende Grafik zeigt Versand und Empfang mit Frachtauftrag, Sendung & Be-/Entladestelle: FU (Freight Unit), DLV (Delivery), (U)LP [(Un)Loading Point] und Freight Order (Frachtauftrag). Sie verdeutlicht die hierarchische Struktur im ASR-Prozess: Mehrere Freight Units existieren innerhalb einer Sendung (Consignment), diese sind wiederum Stop-spezifisch in einem Freight Order organisiert, wobei jeder Stop spezifische (Un)Loading Points hat.
Die Lade- oder Entladestelle im ASR-Prozess
Eine Lade- oder Entladestelle wird in den Stammdaten als Lokation definiert und stellt eine Gruppe von Toren dar, an die Ware geliefert oder an denen Ware abgeholt wird. Das gleiche Stammdatenobjekt kann für SAP EWM und non-EWM-Lager verwendet werden und wird von SAP TM über SAP Logistics Execution (LE) und SAP EWM übergeben. Zu einem Lager können mehrere (Ent-)Ladestellen definiert werden.
Bei einem Lager mit mehreren Lade- oder Entladestellen und mehreren Toren sowie mehr als einer Anwendungskomponente für die Lagerhaltung (SAP EWM, SAP Inventory Management (IM) und SAP Stock Room Management), können die Be- und Entladeaktivitäten im Detail organisiert werden, z. B. welches Tor und welche Lade- oder Entladestelle von welcher Anwendungskomponente verwendet werden darf.
Ein wesentlicher Vorteil hierbei ist die präzisere, systemgestützte Steuerung und Transparenz des physischen Warenflusses an den Lagerdocks – im Vergleich zur früheren TU-basierten Lösung.
Outbound-Prozessvarianten im ASR-Prozess für SAP TM und SAP EWM
Im ASR-Prozess gibt es für den Outbound-Prozess – also der gesamte Ablauf der Warenbereitstellung und -auslieferung vom Lager zum Kunden oder Empfänger – zwei zentrale Prozessvarianten, die sich danach unterscheiden, welches System – SAP TM oder SAP EWM – die Prozesssteuerung initiiert und bestimmt.
Die folgende Grafik veranschaulicht die beiden im ASR-Prozess möglichen Outbound-Prozessvarianten: Transport-Driven (links) und Warehouse-Driven (rechts). Sie zeigt, in welcher Reihenfolge SAP TM und SAP EWM jeweils eingebunden sind und welche Belege die Steuerung initiieren – entweder transportbasiert ausgehend von Freight Unit und Freight Order oder lagerbasiert ausgehend von der Warehouse Execution:

Transportgesteuerte Variante (Transport-Driven)
Bei dieser Variante wird der Outbound-Prozess vom Transportauftrag aus SAP TM gesteuert. Das bedeutet: SAP TM bestimmt, wann und was kommissioniert, bereitgestellt und verladen wird. Die Transportplanung erfolgt vor der Ausführung der Lageraktivitäten (embedded SAP EWM, SAP Inventory Management (IM) und SAP Stock Room Management) auf der Grundlage der folgenden Vertriebsbelege:
- Kundenauftrag (order based): Die Transportplanung (im embedded SAP TM) basiert auf den Transporteinheiten, die aus dem Kundenauftrag generiert werden.
- Lieferung (delivery based): Die Transportplanung basiert auf den Transporteinheiten, die aus der Lieferung erstellt werden.
Lagergesteuerte Variante (Warehouse-Driven)
Hier startet der Prozess aus dem Lager heraus – also aus SAP EWM. Das Lager entscheidet, wann eine Lieferung gepickt und bereitgestellt wird – z. B. basierend auf Lagerressourcen, Prioritäten oder Materialverfügbarkeit. Die Lagerausführung (embedded SAP EWM, SAP Inventory Management [IM] und SAP Stock Room Management) wird vor der Transportplanung im embedded SAP TM gestartet und basiert immer auf der Auslieferung.
Fazit: Vom TU-Modell zum ASR-Prozess – ein Schritt in Richtung Zukunft bei der Transport-Lager-Integration
Sowohl die TU-basierte Lösung als auch der neue ASR-Prozess (Advanced Shipping & Receiving) ermöglichen die Abbildung integrierter Logistikprozesse in SAP. Mit ASR verfolgt SAP jedoch einen konsequent weiterentwickelten Ansatz, der in mehrfacher Hinsicht Vorteile gegenüber dem bisherigen TU-Modell bietet.
Während beim TU-Ansatz die Integration stark auf das zentrale Objekt „Frachtauftrag“ fokussiert ist, setzt der ASR-Prozess auf eine umfassendere, flexiblere und datengetriebene Prozessarchitektur. Die tiefere Integration zwischen Transport- und Lagerprozessen – vom Wareneingang über die Lagerung bis zum Warenausgang – erfolgt dabei in Echtzeit und steigert sowohl Transparenz als auch Effizienz innerhalb der gesamten Supply Chain.
Ein besonderes Plus des ASR-Prozesses ist die Möglichkeit, unterschiedliche Szenarien flexibel abzubilden. So erlaubt SAP derzeit zwei Prozessvarianten:
- Transport-Driven: Zuerst erfolgt die Transportplanung, anschließend die Lagerabwicklung.
- Warehouse-Driven: Umgekehrte Reihenfolge – der Lagerprozess initiiert den Transport.
Diese Varianten bieten mehr Gestaltungsspielraum und passen sich besser an die jeweiligen betrieblichen Abläufe an – ohne, dass zwingend eine advanced Lizenzierung erforderlich ist.
Hinzu kommt: SAP entwickelt den ASR-Prozess kontinuierlich weiter. Über die SAP-Roadmap lässt sich nachvollziehen, wie neue Funktionalitäten und Deployment-Optionen sukzessive ergänzt werden. Ein direkter Vergleich mit der TU-basierten Lösung zeigt, dass ASR bereits heute in vielen Bereichen funktional überlegen ist.
Vor dem Hintergrund zunehmender Dynamik und Unsicherheit in globalen Lieferketten, wird es für Unternehmen immer wichtiger, ihre Prozesse proaktiv zu digitalisieren und zu optimieren. Mit ASR stellt SAP eine zukunftsfähige Lösung bereit, die diesen Anforderungen gerecht wird und damit einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit leistet.